Hindenburgstraße – geschichtlicher Zusammenhang

Die Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur erfolgte rasant, Hindenburgs Beitrag dazu war enorm.

(Wichtige Daten siehe unten.)

Am 30.1.1933 ernennt Hindenburg als Reichspräsident Hitler zum Kanzler und im Mai, dem Monat, in dem in Stetten die zwei Straßen in Adolf-Hitler- und in Hindenburgstraße umbenannt werden, ist die Demokratie bereits abgeschafft, politische Gegner werden verfolgt und terrorisiert, die ersten Schritte zur Verfolgung und Vernichtung der Juden sind eingeleitet.

Mit dem Beschluss, die zwei Straßen in Hindenburg- und in Adolf-Hitler-Straße umzubenennen, sollten die „beiden großen Führer Deutschlands“ geehrt werden. Der Name „Hindenburgstraße“ hat also die gleiche Funktion wie der Name „Adolf-Hitler-Straße“. Mehr noch, die beiden Namen gehören zusammen, gerade in dieser Doppelung sind sie Teil einer Kampagne, vor allem seit dem Wahlkampf 1933.

https://www.bundesarchiv.de/themen-entdecken/online-entdecken/geschichtsgalerien/05-maerz-1933-wahl-zum-deutschen-reichstag/
BArch, Bild 102-02935A / Pahl, Georg
Wahlplakat der NSDAP auf einer Litfaßsäule, März 1933, Plakattext: „Nimmer wird das Reich zerstöret – wenn ihr einig seid und treu“

Mit diesen „Ehrungen“ feiert die Stettener NSDAP ihre neue Macht, anerkennt ausdrücklich auch die führende Rolle Hindenburgs dabei, bekennt sich zum Abbau der Demokratie, zur Verfolgung politischer Gegner und der Juden.

Gleichzeitig dient dies der Propaganda, dem Führerkult, es soll die nationalsozialistische Herrschaft stützen.

Mit der Ehrung Hindenburgs will man auch das deutsch-nationale rechts gesinnte Bürgertum propagandistisch stärker an sich binden.

In der aktuellen Debatte um die Umbenennung der Hindenburgstraße muss deutlich sein, dass mit diesem Namen nicht nur ein Unwürdiger geehrt wird, sondern dieser Straßenname ist ein Nazi-Denkmal, ein Faktor in der Etablierung des Führerkults, ein Baustein, der neben der Verfolgung der politischen Gegner schließlich auch zur Massenvernichtung der Juden, zum Mord an Menschen mit Behinderung und zum Weltkrieg geführt hat.

Es ist zwar ein kleiner Baustein, aber solche kleinen Bausteine haben in ihrer Summe eine entscheidende Wirkung, sie prägen das Alltagsbewusstsein.

Wer den Namen „Adolf-Hitler-Straße“ ablehnt, muss auch die „Hindenburg-Straße“ umbenennen.

Einige ausgewählte Daten der Entwicklung zur Diktatur

Im folgenden Überblick soll deutlich werden, wie zentral 1933 die „beiden großen Führer“ Adolf Hitler und Hindenburg zusammengehören, einmal in der Durchsetzung der Diktatur und vor allem auch in der dazugehörenden Propaganda.

30.1.1933

Hindenburg ernennt Hitler zum Kanzler. Hitler wird also nicht vom Reichstag gewählt, die NSDAP hätte nicht genügend Stimmen, sondern er wird vom Reichspräsidenten Hindenburg ernannt (Präsidialkabinett).

Postkarte (um 1933)

1.2.1933

Hindenburg löst den Reichstag auf und beraumt Neuwahlen für den 5.3.1933 an. Die NSDAP erhofft sich, die absolute Mehrheit zu gewinnen.

27./28.2.1933

In der Nacht brennt der Reichstag. Die NSDAP beschuldigt die Kommunisten.

28.2.1933

Hindenburg erlässt auf Initiative der NSDAP die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ (Reichstagsbrandverordnung). Diese setzt wesentliche Grundrechte der Verfassung wie Freiheit der Person, die Unverletzbarkeit der Wohnung, das Post- und Telefongeheimnis, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, das Vereinigungsrecht sowie die Gewährleistung des Eigentums außer Kraft. Sie ist somit die Grundlage für die sofort einsetzende Verfolgung der politischen Gegner, vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter. Diese Verordnung, die Hindenburg als Reichspräsident erlassen konnte, ist eine wesentliche Stufe zur Etablierung der Diktatur.

März 1933

Die ersten Konzentrationslager für politische Gegner werden eingerichtet, da die Gefängnisse nicht mehr ausreichen. Die Gefangenen werden misshandelt und gefoltert, manche ermordet.

5.3.1933

Reichstagswahl

Die NSDAP wird stärkste Kraft, hat aber die absolute Mehrheit nicht erreicht, obwohl es aufgrund des Terrors gegen die politischen Gegner keine freie Wahl mehr war. Mit den Deutschnationalen (beteiligt am Wahlbündnis „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“) gibt es aber eine Mehrheit im Reichstag.



BArch_Bild_102-14381_Pahl_Georg_Polizeischutz_Wahllokal.jpg
Die große Reichstagswahl am 5. März 1933. Nationalsozialistische Hilfspolizei im Verein mit Schutzpolizei

21.3.1933

„Tag von Potsdam“

Staatsakt zur Eröffnung des Reichstags, den die Nationalsozialisten propagandistisch benutzen, um Nationalkonservative an sich zu binden. Symbolträchtig: Hitler verbeugt sich vor Hindenburg.


23.3.1933

Ermächtigungsgesetz

Mit den Stimmen der NSDAP und der bürgerlichen Parteien beschlossen, bedeutet es die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur.

31.3.1933 und 7.4.1933

Gleichschaltungsgesetze

Die Landtage (bis auf Preußen) und kommunale Parlamente werden aufgelöst und nach den regionalen bzw. lokalen Stimmenverhältnissen der Reichstagswahl vom 5. März neu zusammengesetzt. Die kommunistischen Stimmen dürfen nicht gezählt werden.

1.4.1933

Geschäfte mit jüdischen Inhabern werden durch SA-Posten boykottiert.

7.4.1933

„Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“

Es richtet sich gegen politische Gegner und Juden im Staatsdienst.

1.5.1933

Die Nationalsozialisten deuten den Tag um zum „Tag der nationalen Einheit“.

Sie gestalten ihn als großes Spektakel vor allem bei der zentralen Veranstaltung, einer Jugendkundgebung, in Berlin. Eine wichtige propagandistische Rolle spielt wieder der Auftritt Hindenburgs als Redner neben Goebbels und Hitler.
„Hitler forderte zum Schluss ‚die deutschen Jungen und Mädchen‘ zu einem dreifachen Hoch auf den ‚großen Soldaten und Führer des Weltkrieges‘ auf.“
Ernst Piper, Als der 1. Mai braun wurde, Spiegel,
https://www.spiegel.de/geschichte/75-jahre-machtergreifung-a-946929.html

Aufnahmedatum: 01.05.1933, Aufnahmeort: Berlin

2.5.1933

Die freien Gewerkschaften werden aufgelöst, deren Eigentum beschlagnahmt und die Funktionäre verhaftet.

9.5.1933

Antrag der NSDAP-Fraktion im Stettener Gemeinderat, zwei Straßen in Hindenburg- und in Adolf-Hitler-Straße umzubenennen.

10.5.1933

Bücherverbrennungen in den Universitätsstädten

26.5.1933

Beschluss des Stettener Gemeinderats, zwei Straßen nach den „beiden großen Führern“ in Hindenburg- und in Adolf-Hitler-Straße umzubenennen.


Zu den überregionalen Daten vgl. Michael Wildt, Nationalsozialismus: Aufstieg und Herrschaft, Machteroberung 1933 (2012)

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/nationalsozialismus-aufstieg-und-herrschaft-314/137194/machteroberung-1933/ (abgerufen 15.5.2025)


Hindenburg

Auch in der Gesamtbewertung Hindenburgs, also nicht nur wegen seiner Rolle 1933, ist es klar, dass er kein Mann ist, den man ehren darf, indem man eine Straße nach ihm benennt.

Viele Untersuchungen liegen vor, zum großen Teil auch im Internet leicht zugänglich.

Daher verweise ich hier nur auf ein Gutachten aus dem Jahre 2012 von Dr. Bernd Breyvogel, Stadtarchivar Weinstadt , da es sich auf die Nachbargemeinde Strümpfelbach bezieht.

Sein Fazit:

  1. Er unternahm nichts gegen den sich gleich nach der Machtübernahme Hitlers etablierenden Terrorstaat, obwohl er durch sein enormes Ansehen in der Öffentlichkeit und kraft Amtes dazu in der Lage gewesen wäre – im Gegenteil, alle wesentlichen Maßnahmen des Reichskanzlers fanden vor dem Hintergrund der über allem stehenden „nationalen Einheit“ Hindenburgs stillschweigende oder ausdrückliche Zustimmung.
  2. Paul von Hindenburg ernannte am 30. Januar 1933 Adolf Hitler nicht aus Versehen oder durch Einflussnahme Dritter zum Reichskanzler, sondern aus vollster politischer Überzeugung.
  3. In seinem politischen Testament dokumentiert Hindenburg, dass er die jüngste Entwicklung Deutschlands für die Krönung seines Lebenswerks hielt, und lässt keine Zweifel daran, dass er Hitler, den er zum Schluss auch persönlich schätzte, für seinen einzig legitimen Nachfolger hielt.

Protokoll der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats von Weinstadt am 29.3.2012 – BU Nr. 51/2012 Az. 656.04 –
TOP 5. Antrag der SPD-Fraktion zur Umbenennung der Hindenburgstraße – Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens

Dass die Mehrheit des Gemeinderats seinem Votum und dem Votum der Verwaltung nicht gefolgt ist und die Namensänderung abgelehnt hat, da die Anwohner sich gegen die nötigen Adressänderungen sträubten, mag jeder selber moralisch beurteilen.

Nach oben scrollen